Kurze Geschichte
der Goethe-Gesellschaft Halle (Saale) e.V.

Die Gründung der halleschen Ortsvereinigung hat eine Vorgeschichte. Sie steht im Zusammenhang mit der Leopoldina, der Deutschen Akademie der Naturforscher, die seit 1878 ihren Sitz in Halle hat. Die Leopoldina ist die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft in Deutschland, gegründet 1652 in Schweinfurt. 1818 wurde auch Goethe in die Akademie aufgenommen.

1941 begannen Mitglieder der Leopoldina, Naturwissenschaftler der Universität in Halle und dem Denken Goethes zugeneigt, mit der Herausgabe seiner Schriften zur Naturwissenschaft,  zu den drei Herausgebern gehörte der Botaniker Günther Schmid (1888-1949). Er hatte zu Goethe publiziert und er war es, der nach 1945 Bestrebungen unterstützte, in Halle eine Ortsvereinigung der Goethe-Gesellschaft ins Leben zu rufen.

Das Vorhaben der Herausgabe von Goethes Schriften zur Naturwissenschaft ist übrigens nach 70 Jahren Arbeit abgeschlossen worden. 2011 lagen 11 Text- und 18 Kommentarbände als Historisch-kritische und kommentierte Leopoldina-Ausgabe vor.

Die Hallische Goethe-Gesellschaft e.V. (1947/49)

Im Dezember 1947 gründete sich um den Stadtbaurat Adolf Jacob Heilmann (1888-1949), den Apotheker Otto Hein (1886-1968) und den Arzt Hermann Kuhn die Hallische Goethe-Gesellschaft e.V.. Kuhn wurde zum Vorsitzenden gewählt. Der Botaniker Günther Schmid übernahm die Stellvertretung. Die Gründungsfeier fand am 15. Februar 1948 in den Kammerspielen statt, dem späteren Thalia-Theater. In den folgenden zwei Jahren konnte die Gesellschaft ein bemerkenswertes Programm bieten, fiel doch in die Nachkriegszeit der 200. Geburtstag Goethes. Von den Goethe-Gesellschaften allerorten in Deutschland wurde das Gedenken an den Dichter genutzt, Zeichen für die geistige Neuorientierung zu setzen. In Halle hielt Otto Hein den Festvortrag und stiftete zudem eine Goethemedaille, die der hallesche Bildhauer Gustav Weidanz (1889-1970) anfertigte. Ein Original befindet sich im Landesmünzkabinett des Kunstmuseums Moritzburg Halle, ein weiteres Original im Stadtarchiv.

Bild der Göethe-Medaille
Goethe-Medaille, Quelle: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

Ein sichtbares Zeichen des Wirkens der ersten Ortsvereinigung der Goethe-Gesellschaft in Halle war, ebenfalls im Jahr 1949, die Errichtung eines Gedenksteines für Goethe. Der Weimarer hat die Stadt zwischen 1802 und 1805 mehrere Male besucht. Als Standort bot sich Reichardts Garten an, denn Goethe war dem Komponisten, Kapellmeister und politisch engagierten Publizisten Johann Friedrich Reichardt (1752-1814) durch Briefwechsel und Besuche seines Anwesens in Giebichenstein, unweit der Saale, verbunden. Der Stein trägt als Inschrift die berühmten Verse des Dichters:

Alle menschlichen Gebrechen
Sühnet reine Menschlichkeit.

Dieser aktive Einsatz für die öffentliche Wahrnehmung Goethes in Halle erfuhr einen plötzlichen Abbruch, denn noch im Jahr 1949 starben drei der Vorstandsmitglieder.

Die Ortsvereinigung der Goethe-Gesellschaft (1964-1990)

Erst 17 Jahre später gab es aus den Reihen des Kulturbundes der DDR, namentlich von dem Germanisten Edgar Kirsch, die Initiative zu einer Neugründung. Eine sogenannte "Wirkungsgruppe der Goethegesellschaft" wählte am 9. Dezember 1964 den am Germanistischen Institut als Professor tätigen germanistischen Literaturwissenschaftler Thomas Höhle (1926-2012) zum Vorsitzenden.

Der vom Kulturbund betriebene "Klub der Intelligenz" bot einen Ort für die Veranstaltungen. Bald 30 Jahre fanden sich die Mitglieder der Goethe-Gesellschaft monatlich in der Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße in Halle zusammen. Das Vortragsprogramm war eng mit den Forschungen der DDR-Germanistik zur Goethezeit verbunden, häufig sprachen hallesche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Gesellschaft suchte auch die Zusammenarbeit mit der Musikwissenschaft und der Sprechwissenschaft (diese boten künstlerische Veranstaltungen an) und nicht zuletzt mit dem Schauspieltheater. So nahm die Ortsvereinigung z. B. 1969 lebhaften Anteil an der überregional beachteten Inszenierung des Faust, die der Regisseur Horst Schönemann herausgebracht und bei deren Konzeption die hallesche Germanistik mitgearbeitet hatte.

Selbstverständlich unterhielt die Ortsvereinigung einen engen Kontakt zur Muttergesellschaft in Weimar und lud ihre jeweiligen Präsidenten zum Vortrag ein. Erwähnt werden soll hier der Besuch von Andreas B. Wachsmuth (1890-1981) im Jahr 1965. Als damaliger Präsident der Goethe-Gesellschaft, wohnhaft in Westberlin, hat er entscheidend dazu beigetragen, dass sie während der Jahre der Teilung als eine der wenigen wissenschaftlich-literarischen Gesellschaften  eine gesamtdeutsche geblieben ist.

Es seien hier noch einige Personen genannt, deren Auftritte das Publikum nachhaltig beeindruckten: so der Puppenspieler Frieder Simon mit seinen Goetheadaptionen, der Historiker Günther Mühlpfordt, der 1972 nach Jahren des Auftrittsverbots wieder öffentlich vortragen durfte, die Lesungen mit den Schriftstellern Volker Braun (1969) und Günter de Bruyn (1978). Nicht vergessen ist, dass es 1982 zu politischen Diskussionen um eine Grafikmappe zum "Prometheus-Mythos" bei Goethe kam. Zu seinem 150. Todestag vom Kulturbund in Auftrag gegeben, passte das Ergebnis den Oberen dann nicht, weshalb die grafischen Arbeiten nicht mehr öffentlich gezeigt werden durften.

Die Ortsvereinigung der Goethe-Gesellschaft Halle (Saale) e.V. seit 1990

Als die hallesche Goethegesellschaft 1990 nach der Auflösung des Kulturbundes im Wortsinn in "die Freiheit entlassen" worden war und sich zu einem selbständigen Verein mit allen dafür notwendigen Regeln (Satzung, Wahlordnung, Finanzen) umgewandelt hatte, bedeutete das einen Neuanfang. Notwendig wurde u.a., einen neuen Ort für die Vortragsveranstaltungen zu finden. Seit 1995 nutzen wir, der Universität sei Dank, einen Hörsaal im Melanchthonianum am Universitätsplatz in Halle.

Die Mitgliederversammlung bestätigte bei der Wahl 1990 wieder Thomas Höhle als Vorsitzenden und den Mathematiklehrer Günther Kühne als Geschäftsführer. Nachdem Prof. Dr. Hans-Joachim Kertscher 2003 zum neuen Vorsitzenden gewählt worden war, übernahm 2006, nach dem Tod von Günther Kühne, Dr. Hartmut Heller, von Beruf Apotheker und langjähriges Mitglied der halleschen Ortsvereinigung, die Geschäftsführung. Er hat dieses Amt bis 2015 in großer Verantwortlichkeit für die Belange des Vereins ausgeübt. Seine Nachfolgerin ist Dr. Heidi Ritter geworden, eine germanistische Literaturwissenschaftlerin.

Seit nunmehr 30 Jahren, seit der Wiedervereinigung, sind Referentinnen und Referenten aus ganz Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland zu dem jährlich vom Vorstand erarbeiteten Vortragsprogramm eingeladen worden. Die Beziehung zur Weimarer Goethe-Gesellschaft hat sich vertieft, von 2011 - 2019 gehörte unser Vorsitzender Hans-Joachim Kertscher ihrem Vorstand an. Auch die Verbindung zum Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt/Main wurde in den letzten Jahren enger geknüpft.

Zum festen Bestandteil der Arbeit des Vorstandes gehören die dreitägigen Tagungen der Vorstände  der deutschen Ortsvereinigungen. Sie werden jährlich von einer anderen OV ausgerichtet. (Es gibt Überlegungen, die Tagungen nur noch alle zwei Jahre stattfinden zu lassen.) Durch diese Zusammenkünfte sind viele persönliche Kontakte entstanden, die nicht selten Einladungen von Referenten ausgelöst haben.

Im Jahr 2010 war die hallesche Goethe-Gesellschaft mit dieser Aufgabe betraut und hat mit einem allseits gelobten Programm sowohl zu ihrer positiven Wahrnehmung im Kreis der Ortsvereinigungen beigetragen als auch zur Bekanntheit der Stadt Halle mit ihrem kulturellen Erbe und seiner Pflege. Im Rahmen dieser Tagung erschien von Hans-Joachim Kertscher eine Publikation "Der Geist ist selten und die Kunst ist schwer - Goethe und die Universität zu Halle", die den Vorständen der OV überreicht wurde.

Die Exkursionen

Im Verlauf der Jahre haben sich die Exkursionen zu einem wichtigen Ereignis für die Mitglieder der Ortsvereinigung  entwickelt. Schon seit den 60er Jahren gehörte eine jährliche Exkursion zum Programm, sie umfasste einen Tag. Es wurde ein Ort in der näheren Umgebung besucht, der mit Goethe und seinen Zeitgenossen verbunden war. Nach 1990 eröffneten sich neue Möglichkeiten: Wir haben uns auf längere Reisen zu Zielen in ganz Deutschland begeben und sind auch darüber hinaus bis ins Elsass nach Frankreich oder in die Böhmischen Bäder nach Tschechien gefahren. Neben diesen "großen Exkursionen" haben wir auch immer wieder "kleinere Angebote" außerhalb des Vortragsprogramms gemeinsam wahrgenommen: Theateraufführungen oder Ausstellungen in Halle, Lauchstädt, Dessau, Leipzig, Weimar.

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