Bericht über die Jahrestagung der deutschen Goethe-Gesellschaften vom 13. bis 16. Mai 2010 in Halle

von Monika Schopf-Beige ( Vorsitzende der Ortsvereinigung der Goethegesellschaft Ludwigsburg)

[…] »Versäumen Sie ja nicht, sich in Halle umzusehen, wozu Sie so manchen Anlaß finden werden«, schreibt Goethe im Juli 1803 an Schiller, berechtigterweise! Davon konnten sich die Teilnehmer der Jahrestagung der deutschen Goethe-Gesellschaften vom 13. bis 16. Mai 2010 an Ort und Stelle persönlich überzeugen – denn die Ortsvereinigung Halle hatte zu dieser Tagung eingeladen.

Beeindruckend die Tagungsorte: das Löwengebäude der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und das Stadthaus am Markt. Über eine Freitreppe mit zwei flankierenden, von Johann Gottfried Schadow 1816 geschaffenen gusseisernen Löwen gelangte man in die prunkvoll ausgestattete Aula des sogenannten Löwengebäudes der Universität. Nach einem Orgelkonzert mit Martin Schwendner wurden die ca. 120 Gäste aus 48 Ortsvereinigungen vom Tagungsleiter und 2. Vorsitzenden der Goethe-Gesellschaft Halle, Prof. Dr. Manfred Beetz, herzlich begrüßt und willkommen geheißen. Nach einem Grußwort von Prof. Dr. Bernd Six, Prorektor für strategische Entwicklung der Universität, wurde von Prof. Dr. Hans-Joachim Kertscher, dem 1. Vorsitzenden, der Eröffnungsvortrag gehalten. Hinter dem eher bescheidenen Titel Goethe und Halle kamen dann aber in buchstäblich ›professioneller‹ Form Goethes vielseitige Beziehungen zu Stadt und Universität und seine umfangreichen persönlichen und brieflichen Kontakte zu Wissenschaftlern und Künstlern zum Vorschein. Zum begehrten ›Sahnehäubchen‹ obenauf wurde die am Schluss der Tagung an die Vorstände ausgereichte, im Universitätsverlag erschienene Publikation»Der Geist ist selten, die Kunst ist schwer« – Goethe und die Universität zu Halle, wobei es sich um eine beträchtlich erweiterte Fassung dieses Vortrags handelt.Ein Rundgang durch die von der Universität hochinteressant arrangierte Sonderausstellung zu Goethes wissenschaftlichen und künstlerischen Beziehungen zu Stadt und Universität machte den Überblick perfekt. Beschlossen wurde dieser eindrucksvolle Tag durch einen Empfang für die aus allen Teilen Deutschlands angereisten Teilnehmer und Gäste.

Die Eröffnungsveranstaltung am nächsten Morgen fand im Stadthaus am Markt statt. [...] Der dreigeschossige Bau in einer Mischung aus Neorenaissance und Neogotik wurde 1891 bis 1894 zur Entlastung des spätgotischen, leider aber inzwischen abgerissenen Rathauses am Marktplatz als städtisches Versammlungs-, Sitzungs- und Festgebäude errichtet. Ein repräsentatives Treppenhaus führt in den prunkvoll ausgestatteten Hauptsaal mit reicher plastischer und malerischer Ausstattung. Da war es gar nicht so leicht, sich ganz und gar auf die Begrüßung des Vorsitzenden und die nachfolgenden Grußworte zu konzentrieren. Mit den [...] Vorträgen von Prof. Dr. Manfred Beetz Die Neuentdeckung der Altphilologie in Mitteldeutschland undGoethe als Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Halle von Prof. Dr. Dietrich von Engelhardt aus Lübeck/München ging ein interessanter Freitagvormittag stimmungsvoll zu Ende. Zum ersten Abschnitt der Arbeitstagung am Nachmittag des 14. Mai 2010 versammelten sich die Vorstände im Hörsaal XIV des Löwengebäudes der Universität, während die Teilnehmer des Begleitprogramms die Stadt und das Händel-Haus besichtigen konnten. [...] Mit einem Galakonzert des Händel-Festspielorchesters im Opernhaus ging der erste, arbeitsintensive und inhaltsreiche Tag zu Ende.

Für Samstag, den 15. Mai 2010, hatte wieder Prof. Dr. Manfred Beetz die Tagungsleitung übernommen, erneut beeindruckend das Löwengebäude der Universität. Und während das Begleitprogramm durch das Landeskunstmuseum der Moritzburg führte, begann der zweite Teil der Arbeitstagung […]. Um 12.30 Uhr stand für alle Tagungsteilnehmer ein Besuch der Franckeschen Stiftungen auf dem Programm. Der Ehrenvorsitzende des Kuratoriums, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Paul Raabe aus Wolfenbüttel [...] begrüßte und gab eine kurze Einführung in die Geschichte der von August Hermann Francke 1698 als pietistisches Sozial- und Bildungswerk gegründeten Stiftungen. […] Das sich anschließende Konzert des Universitätschores Johann Friedrich Reichardt in der St. Bartholomäuskirche und ein Spaziergang durch Reichardts Garten, der »die wohl schönste Komposition seines Lebens und seines Geistes« genannt wird, rundeten den eindrucksvollen, inhaltsreichen Nachmittag harmonisch ab. Mit einem vorzüglichen Halloren-Buffet im Hotel Maritim, mit vielen Gesprächen, lebhaftem Gedankenaustausch und anregenden Informationen ging eine schöne Tagung zu Ende.

Wer noch nicht abreisen musste, hatte am Sonntagvormittag Gelegenheit, die Saline in Halle zu besichtigen. Summa summarum erlaubt der Tagungsverlauf einen Vergleich mit Goethes Aufenthalt in Halle, »denn überall, sowohl an den Gegenständen als auch Gesprächen, konnte ich etwas entnehmen, was mir zu mehrerer Vollständigkeit und Fördernis meiner Studien diente«. Der Ortsvereinigung Halle an der Saale und allen helfenden »Hallensern und Halloren«, die zum Gelingen der vorzüglichen Tagung beigetragen haben, sei herzlich gedankt!

Auszug aus: Goethe-Jahrbuch 127 (2010), S. 360-362